Über den Verlust der Kaffeekultur in der Gastronomie
Schon seit einigen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, hat sich die Kaffeevielfalt bedeutend erweitert. Kaffeespezialitäten haben sich von Italien aus über die ganze Welt verbreitet: Schon längst muss man nicht mehr aufpassen, dass der Cappuccino statt mit Sahnehaube mit Milchschaum serviert wird. Espresso gehört schon viel länger zum Standard und nach und nach hat sich neben dem biederen Milchkaffee der schicke Latte Macchiato im Glas durchgesetzt.
Für Kaffeeliebhaber eigentlich ein Traum. Wäre da nicht die Convenience-Bewegung in der Gastronomie, die alles wieder zunichte macht.
Schlechter Kaffee wird in einen Kaffeevollautomaten gefüllt, der praktischerweise nicht nur den Espresso auf Knopfdruck ausspuckt, sondern den Milchschaum gleich dazu. Ich finde, „ausspucken“ ist das passende Verb für das bittere, stumpfe Gebräu, das diese Maschinen produzieren. Warum schafft es die Raststätte kurz hinter der Grenze in Italien einen Cappuccino zum Dahinschmelzen für 1,50 EUR zu produzieren, während ein eigentlich gutes Café in Deutschland (oder auch anderswo) Automatenplörre für den dreifachen Preis kredenzt? Da könnte ich mich glatt aufregen. Mache ich ehrlich gesagt gerade auch!
Einen guten Cappuccino außerhalb von Italien zu finden, ist inzwischen Glückssache. Und selbst dort ist es uns am Gardasee mal passiert, dass wir in einem kleinen Hotel zum Frühstück einen Nescafé(!) Automaten vorfanden, aus dem ein warmes bräunliches Getränk herauströpfelte, das wohl irgendwie aus Kaffeepulver hergestellt wurde. An der Bar nebenan thronte die glänzende Espressomaschine – eingeschaltet. Auf Nachfrage erhielten wir ohne Zögern einen wunderbaren aromatischen Cappuccino, während die Touristen um uns herum den Automaten-Nescafé schlürften.
Das war aber nichts gegen das Erlebnis vor wenigen Jahren auf der Hallig Hooge, auf der mir in einem Lokal ein Pulver-Cappuccino ohne vorherigen Hinweis serviert wurde - preislich natürlich nicht erkennbar. Auf mein Nachfragen beim Chef hieß es schnippisch, das wäre hier normal und "seine" Gäste würden das so mögen. Da bleibt einem echt die Spucke weg. Das Pulvererlebnis hatte ich zum Glück einmal und nie wieder.
Die Qualität verschwindet im Convenience-Sumpf
Jedes Mal frage ich mich, wieso muss ich eigentlich im Café 3,50 Euro oder mehr für einen Cappuccino berappen, bei dem noch nicht mal ein versierter Barista eine fauchenden Espressomaschine (die keinen Fehler beim Mahlgrad, der Wassertemperatur oder der Kaffeemenge verzeiht) nach allen Regeln der Kunst bändigt? Klar - die Leute zahlen es und die Grundkosten sind gering. Eine studentische Aushilfe drückt schnell im Vorbeigehen den unspektakulären Knopf eines WMF-Automaten und fertig ist das Zeug.
Meist wird dieser Vorgang sogar gleich auf den Gast abgewälzt, z.B. beim Frühstück in vielen Hotelrestaurants, wo man sich nicht nur das Essen am Buffet selbst holt, sondern sich auch noch in die Schlange am Kaffeeautomaten einreihen darf.
Wenn wenigstens Wert auf die Qualität der Kaffeebohnen gelegt werden würde. Denn selbst aus Vollautomaten bekommt man hier und da einen annehmbaren Kaffee gezapft. Und – auch das gibt es – auch aus professionellen Siebträgermaschinen kann man mit schlechtem Kaffee (oder amateurhaften Grundeinstellungen) ein fieses Gebräu erzeugen. Tja, und wie viele Menschen beschweren sich tatsächlich über einen niveaulosen Kaffee? Wenige. Weil sie es gar nicht mehr anders kennen? Oder es gar schon zur Gewohnheit wird? Wenn ich schon den unheilvollen Automaten auf dem Buffet stehen sehe, bestelle ich mir inzwischen sogar lieber einen Tee, denn der scheint in der Gastronomie im Gegensatz zum Kaffee eher an Qualität zuzunehmen.
Mein Appell an dieser Stelle an alle Gastronomen, die etwas auf sich halten – entdeckt den Qualitäts-Kaffee samt achtsamer Zubereitung wieder – eure Gäste werden dankbar sein und gerne zurückkommen, egal ob daheim oder auf Reisen.
So, und ich mache mir jetzt erst mal einen schönen Cappuccino - aus aromatischen Fair-Trade-Bohnen, frisch gemahlen und auf meiner Kamira-Maschine fein zelebriert.
PS: Probieren Sie mal kalt "gebrühten" Kaffee.
Das geht ganz einfach. 100g Kaffee (kein Espresso) frisch mahlen (Mahlgrad etwas grober als für die French Press) mit 500ml zimmerwarmem Wasser aufgießen, umrühren und 8-12 Std. (für den idealen persönlichen Geschmack am besten ausprobieren) bei Zimmertemperatur abgedeckt stehen lassen. Durch ein feines Sieb gießen und dann noch mal durch einen Kaffeefilter, damit der feine Schlamm abgetrennt wird. So entsteht ein Kaffeekonzentrat, das man im Verhältnis 1 Teil Konzentrat und 2-3 Teilen heißem Wasser (oder nach Geschmack) mischen kann. Tasse gut vorwärmen. Der Kaffee ist sehr mild und bekömmlich und weist nicht die übliche Säure auf. Sehr lecker an heißen Tage: eiskalte Milch statt Wasser, auch für Eiscafé ist das Konzentrat ein Genuss! In einem Schraubglas im Kühlschrank aufbewahrt, hält sich die Essenz ca. 2 Wochen, ich mache aber eher immer kleine Mengen.
Für alle, die es nachlesen wollen: die Methode kursiert im Netz unter dem Namen "Cold Brew".